Straßen und Plätze klimafit zu gestalten, ist ein wichtiger Beitrag zur Klimawandelanpassung von Städten und Gemeinden in Österreich. Welchen Beitrag Betonpflastersteine dazu leisten können, erklärt Stefan Weissenböck, Vorstandsvorsitzender des Forums Qualitätspflaster, im Interview mit Beton Dialog Österreich.

Stefan Weissenböck, Vorstandsvorsitzender des Forums Qualitätspflaster
Foto: © Martin Wieland
Immer mehr Straßen und Plätze in Österreich werden klimafit umgestaltet. Welchen Nutzen hat davon die Bevölkerung?
Durch traditionelle Bauweisen kommt es in den Städten zur Bildung von Hitzeinseln. In diesen Bereichen ist es im Durchschnitt 3 bis 5 Grad wärmer als in der Umgebung. Durch den Einfluss des Klimawandels sind in Europa zusätzlich auch die durchschnittlichen Temperaturen angestiegen. In Folge heizen sich manche Baumaterialien untertags stark auf und speichern diese Hitze auch am Abend. Die so über einen längeren Zeitraum höheren Temperaturen werden für immer mehr Stadtbewohner unangenehm, weshalb siestädtische Straßen und Plätze im Sommer meiden, wie uns Messungen der Straßen- und Platzfrequenz zeigen. Im Gegensatz zu dieser Entwicklung wünschen sich Kommunalpolitiker in Österreich vitale und lebendige Plätze in ihren Gemeinden und Städten. Solche klimafit umgestalteten Freiräume sind beliebter und in Folge belebter, da sie eine höhere Aufenthaltsqualität schaffen.
Dem Hitzeinsel-Effekt versucht man mit dem sog. „Schwammstadt-Prinzip mit Bäumen“ entgegenzutreten. Warum ist dieses Konzept erfolgsversprechend?
Beim „Schwammstadt-Konzept mit Bäumen“ spielen das Starkregenmanagement und Bäume synergetisch ideal zusammen. Es ermöglicht, das anfallende Regenwasser lokal zu speichern, indem es durch großzügige Fugen zwischen den Pflastersteinen flächig in den Boden versickert. So wird das Wasser vor Ort gehalten und kann u. a. für die zusätzliche Bewässerung von Stadtbäumen genutzt werden. Diese wiederum bieten durch die Verdunstung über ihre Blätter die beste Kühlung für die Straßen und Plätze, wie wir aus Messungen wissen. Gleichzeitig schafft die Überschirmung großkroniger Bäume wohltuend temperierte Schattenräume. Viele österreichische Städte versuchen daher, neben Straßen und auf Plätzen Schwammstadt-Konzepte für Bäume zu schaffen, in denen sie sich optimal entwickeln können. So entstehen lebendige Freiräume, auf denen alle Generationen – auch ältere Personen oder Menschen mit gesundheitlichen Problemen – ein wohltuend angenehmeres Klima genießen. Der Trend zu biophilem Design, bei dem Bäume und Pflanzen auf Gebäuden und sogar bis ins Innere von Gebäuden gestalterisch eingesetzt werden, ist ein wunderbarer Rückenwind für all diese Entwicklungen.
Welche Rolle spielt der Beton, konkret Betonpflastersteine und -platten, in diesem klimafitten Konzept?
Die österreichische Betonstein- und -plattenbranche hat sich sehr früh mit den zusätzlichen Vorteilen der hellen Oberflächen von Betonpflastersteinen und -platten beschäftigt und bedeutende Forschungs- und Prüfergebnisse geliefert. Deshalb gibt es in Bezug auf Betonpflastersteine bereits eine valide Datenlage. Beton wird sehr häufig bei den Schwammstadt-Projekten eingesetzt. Das gilt vor allem für hydroaktive Betonpflastersteine und -platten, die Regenwasser flächig versickern lassen und damit Flächen partiell entsiegeln. Neben dem Verband Österreichischer Betonfertigteilwerke arbeitet das Forum Qualitätspflaster zu diesem Thema intensiv mit dem Umweltbundesamt zusammen.
Die klimafitte Gestaltung von Straßen und Plätzen bedeutet dabei auch, von der Natur zu lernen – im Hinblick auf den Rückhalt von Regenwasser auf allen Ebenen. Bereits an der Oberfläche wird über das Relief aus Steinen und Fugen der sogenannte Ponding-Effekt angestrebt. Dabei werden in den Vertiefungen der Pflasterfläche kleinste „Wasserteiche“ geschaffen, die nach Niederschlägen durch ihr langsames Verdunsten einen zusätzlichen kühlenden Effekt auf die Umgebung haben. All das wirkt sich, zusammen mit den zuvor erwähnten Grünfassaden und seitlichen Straßenpflanzen, positiv auf das Mikroklima aus.
Wie wichtig sind gesunde Böden für unsere Städte?
Sehr wichtig! Gesunde Böden brauchen entsiegelnde Flächenbefestigungen, damit Luft und Wasser zu den darin lebenden Mikroorganismen gelangen und diese ihren wichtigen Umwandlungsprozessen nachkommen können. Die Wasserversorgung sichern versicherungsfähige Betonpflastersteine. Angenehmer Nebeneffekt: die Luft bekommen sie durch die Fugenbelüftung gleich mitgeliefert. Ein weiterer Vorteil ist, dass diese Gestaltungskonzepte wartungsarm sind. Sowohl die Pflastersteine als auch das Fugenmaterial sind langlebig und können im Bedarfsfall leicht und schnell ersetzt werden. Momentan betreiben wir in Zusammenarbeit mit der TU Wien Grundlagenforschung dazu: Durch unterschiedliche Tests wollen wir auch statisch nachweisen, dass die klimafitte Gestaltung von Straßen und Plätzen eine nachhaltige, langfristig stabile und zuverlässige Lösung für unsere Städte und Gemeinden darstellt.

Wir sehen, dass sich das Schwammstadt-Prinzip in Wien großer Beliebtheit erfreut. Wie sieht es in anderen Städten in Österreich aus?
Das Interesse von Städten und Gemeinden an der Umsetzung dieses Prinzips ist groß. Von Wien aus setzt sich der Trend über die Landes- und Bezirkshauptstädte bis hin zu kleinen Marktgemeinden mit 5.000 bis 6.000 Einwohnern fort. Wir sehen, dass insbesondere in den Landeshauptstädten Flächenentsiegelungen wie Pflasterungen in den vielen Entwürfen und Plänen bereits eingezeichnet ist. Es geht hier darum, größere versiegelte Flächen auf Straßen und Plätzen schmäler zu machen und durch eine klimafitte Pflasterung zu ersetzen.
Das Forum Qualitätspflaster organisiert zum vierten Mal den Paving Design Award. Was will man durch diesen Wettbewerb vermitteln?
Wir loben den Award mit wissenschaftlicher Unterstützung der BOKU aus, an der er auch im Lehrplan verankert ist. Interessierte Studenten besuchen bestimmte Lehrveranstaltungen und bewerben sich um die Teilnahme am Wettbewerb. Hier kommen sehr motivierte zukünftige Landschaftsplaner zusammen, die sich für die Auszeichnung mit sehr komplexen und anspruchsvollen Aufgabenstellungen auseinandersetzen. Der Award ist für viele von ihnen auch die erste konkrete Praxiserfahrung. Wir schätzen die unglaubliche Kreativität dieser jungen Menschen, die bei vielen Lösungen kreativ und innovativ denken und so völlig neue Zugänge schaffen, die uns faszinieren. Der Paving Design Award wird alle zwei Jahre organisiert, im Dezember 2025 gibt es die nächste Preisverleihung.
Seit wann gibt es das Forum Qualitätspflaster und wie definieren Sie Ihre Mission?
Wir wurden 2009 gegründet und haben zum Ziel, lebenswerte Straßen und Plätze zu schaffen, die klimafit und wartungsarm sind und zugleich eine hohe Aufenthaltsqualität bieten. Wir stehen momentan bei knapp unter einem Quadratmeter Pflastersteine pro Österreicher und Jahr. In Deutschland und den Niederlanden beträgt dieser Wert zwischen 2 und 2,5 Quadratmeter. Diesen Ländern eifern wir mit Freude nach. Neben der historischen Bausubstanz, also den Ortskernen bzw. rund um historische Gebäude wie Kirchen, Denkmäler usw., sehen wir ein großes Potenzial für die Pflasterung im Bereich von Klimawandelanpassungsmaßnahmen.